Ernährungsexpertin Kathrin Fenzl über gesunde Ernährung für Kinder: Schon früh verschiedene Geschmackserlebnisse ermöglichen
Düsseldorf im August 2023 - Laut Robert Koch-Institut ist etwa jedes sechste Kind in Deutschland übergewichtig. Unter den 11-13-Jährigen sogar jedes fünfte. Im Kindesalter wird aber bereits der Grundstein für das Essverhalten im Erwachsenenalter gelegt. Wer also schon als Kind übergewichtig war und wenig gesunde Lebensmittel erhalten hat, greift auch im Erwachsenenalter eher zu Fastfood und ungesunden Snacks. Fettleibigkeit, Trägheit und Krankheiten können die Folge sein.
Deshalb ist es umso wichtiger, Eltern und Kinder schon früh für eine gesundheitsförderliche Lebensweise zu sensibilisieren, um eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen.
Kathrin Fenzl, Ernährungsexpertin und Dozentin der Weiterbildung „Ernährungsberatung für Kinder“ am IST-Studieninstitut, erläutert im Interview, warum es vielen Eltern so schwer fällt, gesunde Nahrung anzubieten, und wie man diese unterstützen kann:
IST: Die Zahlen des Robert Koch-Instituts sind erschreckend. Es sieht so aus, als müssten wir dringend die kindliche Ernährung in den Blick nehmen. Warum?
Kathrin Fenzl: Weil hier jede Menge Aspekte zusammenkommen. Ein kleiner Mensch durchlebt unterschiedliche Abschnitte in seiner Entwicklung und diese sind durch Anforderungen an die Art, an die Menge und an die Verhältnisse von Nährstoffen gekennzeichnet. Nicht in jeder Phase sind der Bedarf an Nährstoffen und die Bedürfnisse im Rahmen der Mahlzeitengestaltung gleich.
Und das stellt eine große Herausforderung für die Eltern dar. Geleitet von Werbung und anderen Einflüssen bieten sie ihren Kindern Lebensmittel an, die häufig zu viel Zucker und Fett beinhalten. In Kombination mit fehlender Bewegung steigt die Gefahr des Übergewichts rapide.
Also fehlt es vielen Eltern an den richtigen Informationen?
Fenzl: Kann man so sagen. Was viele nicht wissen ist, dass die Ernährung der Mutter nicht nur das Gedeihen des Ungeborenen beeinflusst, sondern bereits die Ernährungsgewohnheiten bis ins Erwachsenenalter ihres Kindes prägt. Außerdem sind auch die Art und Weise, wie Nahrung dem geborenen Kind dann angeboten wird, für die Entwicklung eines gesunden Ernährungsverhaltens ausschlaggebend.
Können Sie das an einem Beispiel veranschaulichen?
Fenzl: Gerne. Obwohl Gemüse eine wesentliche Grundlage für die Ernährung von Kindern sein sollte, sind die Kleinen dabei häufig sehr wählerisch. Verschiedene Aspekte können dazu beitragen, dass die Akzeptanz beeinflusst wird. Beispielsweise wird das Kind bereits im Mutterleib und während des Stillens an Aromastoffe der mütterlichen Ernährung gewöhnt.
Auch während der Beikostphase kann eine abwechslungsreiche Verwendung verschiedener Gemüsesorten den Säugling mit unterschiedlichen Geschmacksvarianten vertraut machen. Dies ist hilfreich, wenn dann im Kleinkindesalter die erste Phase der sogenannten Neophobie einsetzt. In dieser Phase werden zunächst neue und unbekannte Lebensmittel verweigert. Werden Kinder also nicht schon früh mit verschiedenen Geschmackserlebnissen konfrontiert, kann dies zu einer Verfestigung von Abneigungen gegen „gesunde“ Lebensmittel führen. Die Folge ist häufig eine einseitige Ernährung mit einer eingeschränkten Auswahl an Lebensmitteln, die meist reich an Zucker, versteckten Fetten und künstlichen Aromastoffen sind.
Warum ist es für Eltern so schwer, eine gesunde Ernährung zu gewährleisten?
Fenzl: Eltern fühlen sich häufig unter Druck. Es gibt unterschiedliche Informationen darüber, wie „gesunde Ernährung“ aussehen sollte. In den Sozialen Medien finden Sie unzählige Influencer, die ihre eigenen Ideen dazu verbreiten – ohne wissenschaftliche Basis. Dann sind da auch noch die eigenen Ansprüche oder gesellschaftlichen Anforderungen, sich gesund ernähren zu müssen. Eine passende Strategie für die Familienernährung zu finden, ist vor diesem Hintergrund eine große Herausforderung. Orientierungshilfe bieten da beispielsweise Ernährungsberater für Kinder, die Licht ins Dunkel bringen.
IST: Und wer wird da dann beraten? Eltern oder die Kinder selbst?
Fenzl: Beide. Kinder lernen von Bezugspersonen und sind in die Rahmenbedingungen verschiedener Lebenswelten eingebunden. Wir sprechen hier von sogenannten „Settings“. Obwohl Kinder bereits unmittelbar nach der Geburt signalisieren, wann, wieviel und was sie essen bzw. trinken möchten, wird die Entwicklung des Ernährungsverhaltens durch verschiedene Kontextfaktoren geprägt.
Die Ernährungsberatung für Kinder und Jugendliche bezieht, entsprechend den altersspezifischen und individuell unterschiedlichen Entwicklungsstadien, zu einem großen Teil diese unterschiedlichen Settings, Kontextfaktoren und Bezugspersonen ein. Dazu zählen Familie, KITA, Schule, Freizeit bzw. Eltern, Großeltern, Tagesmütter, Erzieher:innen, Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen etc.
Trotzdem sollten auch die Kinder und vor allem die Jugendlichen altersgerecht unterstützt werden, eigene Verantwortung in der Auswahl und Zubereitung von Lebensmitteln im Rahmen einer bedarfsgerechten und gesunden Ernährung zu übernehmen.
Während die Erwachsenenberatung meist eine Verhaltensänderung zum Ziel hat, nimmt die Ernährungsberatung für Kinder und Jugendliche deutlich mehr die Rahmenbedingungen in den Blick.
Das IST-Studieninstitut bietet seit Juli die zu diesem Thema passende Weiterbildung „Ernährungsberatung für Kinder“ an. Wer sollte diesen Kurs besuchen?
Fenzl: Für Eltern bietet diese Fortbildung Hilfe zur Selbsthilfe. Profundes Basiswissen kombiniert mit der Fähigkeit, dies an die entsprechenden Alltagsbedingungen anzupassen und verlässliche Quellen bei Informationsbedarf zu kennen, ist die Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung der eigenen Kinder.
Erfahrene Ernährungsberater:innen wiederum erweitern hier ihr Know-how. Physiologische, psychologische und soziologische Grundlagen werden vertieft. Die Erlangung von settingspezifischer Beratungskompetenz ist in erster Linie Inhalt des integrierten Seminars. Die wissenschaftliche Fundierung mit Überleitung in die praktische Anwendung spannt den roten Faden durch die verschiedenen Module dieser Weiterbildung. Somit ist diese Weiterbildung sowohl für die eigene praktische Anwendung als auch zur Erweiterung der beruflichen Qualifikation sehr gut geeignet.
Danke für das Gespräch!
Die Weiterbildung startet erneut im Oktober. Alle Informationen gibt es hier.
Information zu Kathrin Fenzl:
Nach ihrem Bachelor in „Ernährungstherapie“ setzte Fenzl noch ein Masterstudium drauf und beendete dieses mit einer ausgezeichneten Arbeit zum Thema „Elterliche Ressourcen und Kompetenzen zur Schaffung eines gesundheitsfördernden Ernährungs- und Bewegungsumfeldes für Säuglinge und Kleinkinder".
Heute ist Fenzl Inhaberin einer Praxis für Ernährungsberatung, Ernährungstherapie und Sporttherapie. Neben Kursangeboten im Rahmen der individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention in den Handlungsfeldern Ernährung und Stressmanagement leitet sie eine Trainingsstätte für Rehabilitationssport. Im Bereich der Gesundheitsförderung ist sie als Referentin von Multiplikatoren-Schulungen, als Dozentin sowie als Moderatorin von Steuerkreisen in verschiedenen Projekten tätig.
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