Rechtliche Regelungen für die Pharmaindustrie: Eine besonders sensible Branche
Zulassungsverfahren, Kennzeichnungspflichten und Co – Akteure in der Pharmaindustrie müssen akribisch die geltenden rechtlichen Vorschriften einhalten. Kein Wunder, denn die Branche entwickelt viele Substanzen, die Menschen nicht nur helfen, sondern potenziell auch schaden können. Doch wie sehen die gesetzlichen Vorgaben für Pharmaunternehmen eigentlich im Detail aus?
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Strenge Zulassungsvorschriften für Arzneimittel
Wenn Firmen Arzneimittel entwickeln und industriell herstellen, brauchen sie eine behördliche Genehmigung, bevor sie die Produkte abgeben oder vertreiben dürfen. Die erteilte Zulassung eines Medikaments ist die Basis dafür, dass es in Apotheken erhältlich ist. Gleichzeitig können Ärzte bei zugelassenen Präparaten davon ausgehen, dass ihr Nutzen die Risiken für den Patienten überwiegt. Doch welche Hürden muss ein Arzneimittel nehmen, um in Deutschland zugelassen zu werden? Die folgenden vier Module muss ein Zulassungsantrag zwingend enthalten.
1. Pharmazeutische Qualität
Nur Arzneimittel mit einer angemessenen pharmazeutischen Qualität dürfen hierzulande in Verkehr gebracht werden. Dabei bezieht sich die Qualitätssicherung nicht allein auf die Zusammensetzung des Präparats, sondern auch auf das Herstellungsverfahren, die Verpackungsmaterialien, die Kontrolle der Ausgangsstoffe sowie Studien zur Haltbarkeit. Die Beurteilung der Arzneimittelqualität erfolgt nach anerkannten Regeln, die zum Beispiel in Arzneibuch-Monografien festgeschrieben sind.
2. Wirksamkeit
Gesetzlich definiert wird dieser Aspekt als „Ursächlichkeit der Anwendung eines Arzneimittels für den Heilungserfolg. Hersteller müssen also nachweisen, dass tatsächlich ihr Präparat für die Gesundung des Patienten (mit-)verantwortlich sein kann. Dabei muss ein Pharmaunternehmen keine 100-prozentige Erfolgsgarantie für das Schicksal jedes einzelnen Patienten geben; wohl aber eine statistische Wahrscheinlichkeit für die Wirkung nachweisen, die den Erfolg einer Nicht-Therapie oder einer Therapie mit Placebo überwiegt.
Das adäquate Mittel zum Beleg der Wirksamkeit sind in der Regel randomisierte kontrollierte klinische Studien, die feststellen, welche Raten die Morbidität, Hospitalisierung oder Mortalität in Patientengruppen mit und ohne die entsprechende Therapie erreicht. Die Studienteilnehmer dürfen sich dabei in persönlichen Merkmalen wie Geschlecht, Alter und Krankheitszustand nicht von den zu erwartenden Patienten im Alltag unterscheiden.
3. Unbedenklichkeit
Wo man im deutschen Sprachraum von der Unbedenklichkeit eines Präparats spricht, nutzt man international häufig den Begriff Sicherheit. Gemeint ist der Ausschluss von schädlichen Wirkungen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Mittels, die nach aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nicht vertretbar sind. Nachgewiesen wird die Unbedenklichkeit eines Stoffes durch Labor- und Tierversuche zu seiner potenziellen Giftigkeit sowie durch die Beurteilung der Nebenwirkungen in klinischen Studien.
Wichtig: Das Prädikat „unbedenklich“ ist stets eine Momentaufnahme. Die Beurteilung eines Arzneimittels kann sich nach der breiten Anwendung und dem vermehrten Auftreten von unerwünschten Wirkungen durchaus ändern.
4. Nutzen-Risiko-Verhältnis
Hier beurteilen die betreffenden Behörden nicht nur das Auftreten potenzieller Nebenwirkungen gegenüber dem möglichen Heilungserfolg für den einzelnen Patienten. Sie schätzen die Auswirkung einer Arzneimittelzulassung auch im Hinblick auf Folgen für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt ein.
Wer erteilt die Zulassung?
Die Unterlagen für eine Arzneimittelzulassung können Unternehmen bei verschiedenen Behörden einreichen. Zuständig sind hierzulande
- das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte)
- das BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) für Tierarzneimittel
- das PEI (Paul-Ehrlich-Institut) für Impfstoffe, Sera, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Knochenmarkzubereitungen, Allergene, Arzneimittel für neuartige Therapien sowie gentechnisch produzierte Blutbestandteile
Wichtig: Bestimmte Präparate unterliegen in Europa einem zentralisierten Zulassungsverfahren. Dazu zählen zum Beispiel Arzneimittel für neuartige Therapien und neue Wirkstoffe zur Behandlung von Diabetes mellitus, Aids, Krebs, Autoimmunerkrankungen und Viruserkrankungen. Die Unterlagen müssen in diesen Fällen bei der EMA (Europäischen Agentur für Arzneimittelsicherheit) eingereicht werden.
Gibt es Ausnahmen vom Zulassungsverfahren?
Hierzulande dürfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel sowie homöopathische Arzneimittel in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren auf den Markt gebracht werden. Bei der sogenannten Registrierung muss der Hersteller lediglich die Unbedenklichkeit und die Qualität nachweisen, nicht aber die Wirkung belegen. Im Gegenzug müssen sich Produzenten bei traditionellen Pflanzenpräparaten in der Formulierung der Indikation auf die traditionelle Verwendung beschränken, während homöopathische Präparate gar keine Indikation nennen dürfen.
Kennzeichnungspflichten bei Medikamenten
Auch mit erteilter Zulassung gibt es noch Hürden, die ein Arzneimittel vor der Inverkehrbringung nehmen muss. Die Rede ist hier von den geltenden Kennzeichnungspflichten für Medikamente, die im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt sind. Zugelassene Präparate dürfen demzufolge nur gehandelt werden, wenn ihre Verpackung den folgenden Kriterien entspricht:
- Allgemeine Vorgaben: Die Informationen müssen in deutscher Sprache gut verständlich auf der Außenseite der Medikamentenpackung angebracht werden. Die Lesbarkeit wird durch eine Mindestschriftgröße von 7 Pt gewährleistet, wobei die Beschriftung nicht verwischen, verblassen oder ablösbar sein darf. Die Verpackungsangaben müssen sich mit den gängigen Fachinformationen decken, die Ärzte oder Apotheker ihren Patienten geben. Zusätzlich muss die Verpackung eines Präparats einen freien Raum für Dosierungsvermerke durch Fachpersonal aufweisen.
- Angaben zum einzelnen Präparat: Für Pharmaunternehmen ist die Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift auf ihren Produkten verpflichtend. Neben dem Namen des Präparats müssen die enthaltenen Wirkstoffe in ihren exakten Stärken pro Dosierungseinheit verzeichnet sein. Die Darreichungsform, z.B. „Kapseln“ oder „Filmtabletten“, wird gemäß der europäischen Standardbezeichnungen benannt und mit einer Mengenangabe ergänzt, z.B. „30 Stück“. Gleichzeitig gibt die Beschriftung Auskunft über die Darreichungsform, z.B. „zum Einnehmen“ und definiert einen Anwenderkreis wie Erwachsene, Kinder oder Säuglinge.
- Technische Daten: Anhand der aufgedruckten Zulassungsnummer können Nutzer nachvollziehen, dass ein Präparat von den zuständigen Behörden für die Anwendung bei einer bestimmten Indikation zugelassen wurde. Zusätzlich trägt jede Packung eine Chargennummer oder ein Herstellungsdatum, die es ermöglichen, die Produktionskette zurückzuverfolgen, falls Probleme auftreten. Das Verfallsdatum gibt an, bis zu welchem Datum Anwender das Präparat zielführend einsetzen können.
- Spezielle Kennzeichnungen: Bestimmte Präparate tragen den Zusatz „verschreibungspflichtig“ oder „apothekenpflichtig“. Auch homöopathische Arzneimittel müssen als solche gekennzeichnet werden, wozu auch der Hinweis gehört, dass Anwender bei fortdauernden Symptomen und fehlender Besserung nach einer gewissen Zeitspanne einen Arzt aufsuchen sollten. Schließlich sind Hersteller dazu verpflichtet, bei gentechnologisch gewonnenen Präparaten den gentechnisch veränderten Organismus konkret zu benennen.
- Aufdruck in Blindenschrift: Jedes Arzneimittel, das nicht allein von Fachpersonal angewendet wird, muss eine Kennzeichnung in Braille-Schrift aufweisen. Eine Ausnahme gilt für Behältnisse mit einer Füllmenge von weniger als 20 Millilitern bzw. Gramm.
- Muster: Verpackungen, die durch ihren Aufdruck als Muster ausgewiesen sind, dürfen ausschließlich an Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte abgegeben werden.
Weitere wichtige Vorgaben
Neben Zulassungsverfahren und Kennzeichnungspflichten für Arzneimittel gibt es in der Pharmabranche weitere wichtige Regelungen, die in erster Linie die Hersteller betreffen. Zu nennen sind vor allem zwei Besonderheiten:
- Herstellungserlaubnis: Noch bevor ein Medikament von den zuständigen Behörden geprüft und zugelassen wird, muss der Hersteller eine Erlaubnis zum Herstellen von Medikamenten erlangen. Diese Richtlinien dafür werden in § 13 des Arzneimittelgesetzes geregelt. Dabei muss die Produktion eines Präparats nach den Regeln der Good Manufacturing Practice ablaufen, was durch die lokalen Behörden vor Ort überprüft wird. Gegebenenfalls werden Proben des Produkts von dritter Stelle auf ihre pharmazeutische Qualität geprüft. Wichtig: Nicht nur Firmen, die tatsächlich Arzneimittel anmischen, brauchen die Herstellungserlaubnis, sondern auch Unternehmen, die Medikamente umfüllen, abfüllen und verpacken.
- Gefährdungshaftung: In Deutschland regelt das Arzneimittelgesetz auch die Haftung bei Schäden, die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch von Medikamenten entstehen. Hier hat das verantwortliche Unternehmen Schadensersatz zu leisten, ohne dass der Geschädigte die Kausalität zwischen Einnahme und Schädigung nachweisen muss. Dieses Prinzip gilt jedoch nur, wenn ein Präparat gemäß der in der Zulassung festgesetzten Indikation angewendet wurde und nicht beim Off-Label-Use.
Fazit: Medikamente durchlaufen eine langwierige Prozedur
Dass Zulassungsverfahren und Kennzeichnung von Medikamenten so streng gehandhabt werden, geschieht im Hinblick auf die größtmögliche Sicherheit der Anwender. Sie soll als feste Konstante die potenziellen Chancen und möglichen Risiken neuer Forschungsergebnisse abwägen. Wichtig: Auch ein im Verkehr befindliches Präparat unterliegt weiterhin der Beobachtung der Pharmakovigilanz. Seine Verkehrsfähigkeit kann daher potenziell jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, sobald entsprechende Hinweise es verlangen.
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