Der informierte Patient: Zukunftsvision oder Fata Morgana?
Berlin, 24.05.2017 – Mehr als die Hälfte der Deutschen hat erhebliche Mühe, die ständig wachsende Fülle gesundheitsrelevanter Information zu verstehen und daraus Entscheidungen für die eigene Gesundheit abzuleiten, so das Ergebnis einer Studie der Universität Bielefeld vom vergangenen Jahr. Die gleiche Befragung hatte zuvor in anderen Ländern deutlich höhere Kompetenzwerte ergeben - zum Beispiel in den Niederlanden, Dänemark, Irland und in Polen.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mahnte angesichts dieser Befunde. "Das muss alle Verantwortlichen im Gesundheitswesen aufrütteln." Zwischen 9 und 15 Milliarden Euro gehen nach Schätzungen seines Hauses jährlich verloren, weil die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten nicht ausreichend funktioniert. Denn schlecht informierte Patienten folgen deutlich seltener dem Rat ihres Arztes: Eine Auswertung von mehr als 100 Studien ergab, dass sich Patienten mehr als doppelt so häufig an die Therapieempfehlungen des Arztes halten, wenn dieser die Therapie und deren Ziele verständlich kommuniziert.
Doch das beherrschen ganz offensichtlich nicht alle Ärzte: Über 30.000 Patienten haben in den vergangenen sechs Jahren den kostenlosen Service unter washabich.de genutzt, bei dem 200 Mediziner ehrenamtlich Befunde in verständliches Deutsch übersetzen. Allerdings sind die Wartezeiten für die Übersetzung so lang, dass die Website der Medizinaktivisten auf das Partnerprojekt befunddolmetscher.de verweist, das allerdings nur vorgefertigte Erläuterungen zu medizinischen Begriffen online vorhält.
Ärzte sehen die Kommunikation "auf Augenhöhe" mit den Patienten oft auch kritisch: Laut einer Umfrage der Ärztezeitung im Jahr 2012 beklagten 48 Prozent der Ärzte, dass Patienten ihnen Leistungen abverlangten, die nicht erbracht werden durften.
Das Thema "Der mündige und gut informierte Patient im deutschen Gesundheitswesen - Zukunftsvision oder Fata Morgana?" diskutieren auf dem Hauptstadtkongress in Berlin: Prof. Dr. Matthias Schneider, Direktor der Poliklinik und Funktionsbereich für Rheumatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, Prof. Dr. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a. D. und Schirmherrin der European Patients Academy on Therapeutic Innovation, Ulla Ohlms, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Patients' Tumor Bank of Hope, Eva Maria Streppel, Bloggerin und Morbus-Crohn-Betroffene, Jutta Ulbrich, Director Patient Engagement bei AbbVie, und Markus Wartenberg, Leiter des Bereichs GIST/Sarkome von Das Lebenshaus.
Der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit ist mit mehr als 8.000 Entscheidern aus Gesundheitswirtschaft und Politik die jährliche Leitveranstaltung der Branche. Der 20. Hauptstadtkongress findet vom 20. bis 22. Juni 2017 im CityCube Berlin statt.
Weitere Infos und das Anmeldeformular finden Sie unter www.hauptstadtkongress.de.
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