Gefährlicher Trend: Immer weniger Übergewichtige wollen abnehmen

Gefährlicher Trend: Immer weniger Übergewichtige wollen abnehmen

25.07.2017

Eine aktuelle Untersuchung belegt, dass immer weniger fettleibige Menschen abnehmen wollen. Fehlgeschlagene Diäten und die abnehmende Stigmatisierung von Übergewicht in der Gesellschaft gelten als Ursachen. Dabei werden gesundheitliche Folgen von Adipositas verdrängt, denn Folgekrankheiten wie z.B. Diabetes können die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigen.


Wille zum Abnehmen: Entwicklungsstudie zeigt sinkende Bereitschaft


Soziologische Untersuchungen belegen, dass sich gesellschaftliche Schönheitsideale verändern. Vorstellungen über einen gesunden Körperumfang schlagen so z.B. in den USA stark um. Eine aktuelle Analyse, die auf Daten einer in den 70er Jahren gestarteten Bevölkerungsstudie basiert, spricht hierbei eine klare Sprache. Wissenschaftler der Georgia Southern Universität in Statesboro untersuchten die Zahlen des National Health and Nutrition Examination Survey und kamen zu folgendem Ergebnis:

Laut dem Team um Kassanda Snook, welche die Ergebnisse nun über das Netzwerk JAMA publizierte, stieg der Anteil an Übergewichtigen in den vergangenen Jahrzehnten stetig. Zwischen 2009 und 2014 lag der Wert bei 53 Prozent. Im Zeitraum von 1994 bis 2004 stieg er auf 62 Prozent, bevor er zwischen 2009 und 2014 sogar 66 Prozent erreichte. In diesen Erhebungszeiträumen reduzierte sich zugleich die Bereitschaft zur Gewichtsreduktion. Hatten im ersten Erhebungsrahmen noch 56 Prozent angegeben, eine Gewichtsabnahme anzugehen, waren es 2014 nur noch 49 Prozent. 

 


Folgen des Übergewichts: Erkrankungen durch Fettleibigkeit


Prognosen zeigen, dass es sich bei der extremen Form von Übergewicht um ein bislang unterschätztes gesellschaftliches Problem handelt, das immer mehr Menschen betrifft. Im Jahr 2030 könnten, so besagen Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), über 50 Prozent aller Europäer an schwerem Übergewicht leiden. Die Folgen für adipöse Personen sind fehlende Ausdauer und rasche Ermüdung, wobei körperliche Schmerzen oder Kurzatmigkeit schon bei kleineren Aktivitäten drohen.

Die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt die Lebensqualität und zieht die Psyche in Mitleidenschaft. Depressionen sind mögliche Resultate des Übergewichts, ein hoher Leidensdruck tritt auf. Durch den Verschleiß von Gelenken entstehen schmerzhafte Arthrosen, die eine weitere Reduzierung der Mobilität bedeuten. Gefährlicher noch sind Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Herzerkrankungen und Diabetes.

 


Gefahr für Adipöse: Volkskrankheit Typ-2-Diabetes


Mehr als 5.000.000 Menschen leiden in der Deutschland an Typ-2-Diabetes, wodurch sich Lebensqualität und Lebenserwartung reduzieren.

Zahlreiche Beobachtungsstudien befassten sich in der Vergangenheit mit dem Zusammenhang von Übergewicht und Typ-2-Diabetes, konnten die Kausalität zwischen Fettleibigkeit und Stoffwechselstörung  jedoch nicht belegen. So entstand der Einwand, die Fettleibigkeit sei nicht Ursache, sondern Resultat der kardiometabolischen Erkrankung. Personen, die an Typ-2-Diabetes erkrankt seien, wären übergewichtig, weil die Krankheit die Bewegungsfähigkeit einschränken würde, lautete die These einiger Zweifler.

Diese Vorstellung demontiert Donald Lyall, der am zur Universität Glasgow gehörenden Institute of Health and Wellbeing forscht. Er veröffentlichte seine Forschungsergebnisse ebenfalls kürzlich über das medizinische Forschungsnetzwerk JAMA. Die Untersuchung des Forschers beweist die kausale Verbindung von Adipositas und Bluthochdruck, Herzinfarkten sowie Diabetes vom Typ-2.
 

 

Zusammenhang bewiesen: Typ-2-Diabetes als Folge der Adipositas 


Für ihre Studie nutzen die Wissenschaftler um Donald Lyall eine Forschungsmethode, die auf dem Verfahren der Mendelschen Randomisierung basiert. Durch diese Methode lässt sich eine reverse Kausalität weitgehend ausschließen. Thesen, die Typ-2-Diabetes für das Übergewicht verantwortlich machen, belegt die Studie nicht. Dafür beweist Sie den Zusammenhang zwischen Übergewicht und daraus resultierender Diabetes-Erkrankung. Voraussetzung für die Arbeit war, dass die genetischen Risiken des Übergewichts bekannt sind.

Durch genomweite Assoziationsstudien fanden die Forscher 93 Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), die einem erhöhten Body-Mass-Index (BMI) zugeordnet wurden. Wenn kein Zusammenhang zwischen Übergewicht und Erkrankung besteht, müssten die Träger der Gene nicht häufiger betroffen sein, lautete die These der Wissenschaftler. Falls eine Verbindung existiert, würden die Genträger häufiger an Bluthochdruck, Herzinfarkten und Typ-2-Diabetes leiden. Zur Falsifikation der Thesen verwendeten die Forscher um Lyall die Daten der UK-Biobank, sodass 120.000 Blutproben auf Einzelnukleotid-Polymorphismen untersucht wurden.

Die Studienergebnisse bestätigen einen kausalen Zusammenhang. Bei einem BMI-Anstieg um 4,8 Einheiten erhöhte sich das Risiko einer koronaren Herzerkrankung um 35 Prozent. Das Risiko einer arteriellen Hypertonie wuchs um 34 Prozent. Noch deutlicher sind die Zahlen bei Typ-2-Diabetes: 153 Prozent lautet der erschreckende Wert, der durch die BMI-Steigerung erreicht wird. Die Zahlen belegen, dass die Erkrankung die häufigste Folge des Übergewichts ist. Ursache ist wahrscheinlich der erhöhte Konsum von Zucker, der über viele Jahre zur Insulinresistenz führt.

 


Warum sich abnehmen auszahlt


Die Studie bestätigt bisherige Forschungserkenntnisse. Vorherige Untersuchungen belegten bereits, dass eine leichte Gewichtsreduktion von fünf bis zehn Prozent das Risiko von Erkrankungen reduziert. Solch eine Gewichtsabnahme würde die Stoffwechsellage verbessern. Gesundheitliche Vorteile, die durch die Gewichtsreduktion entstehen, wirken zudem auf die Psyche. Eine Abnahme würde "sich stets auf die Lebensqualität" auswirken, urteilt Christina Holzapfel, die am Kompetenznetz Adipositas der Technischen Universität in München forscht.
Samuel Klein von der Washington University in St. Louis ist derweil sicher, dass sich schon eine geringe Gewichtsabnahme lohnt. Das Risiko für gewichtsbedingte Erkrankungen würde sich bereits durch eine fünfprozentige Abnahme von Körperfett deutlich reduzieren, folgert der Forscher in seiner Studie.

Johannes Hebebrand, der als Direktor am Universitätsklinikum Duisburg-Essen tätig ist, verweist unterdessen auf die vielen Vorteile, die durch die Kombination aus gesunder Ernährung und Sport entstehen. Wenn Übergewichtige ihr Gewicht reduzieren und stattdessen Muskelmasse aufbauen, benötigen sie "mehr Energie als Fett", betont der Wissenschaftler.

 


Neue Lebensqualität durch Gewichtsreduktion


"Wer muskulös ist, nimmt einfacher ab", weiß Hebebrand. Diese Erkenntnis hilft Menschen, die ihr Leben ändern wollen. Darunter befinden sich Frauen wie Petra Marolt, die ein Gewicht von 111 Kilogramm besaß. Durch ein intensives Trainings- und Abnehm-Programm für Fettleibige reduzierte Petra Marolt den Körperumfang zunächst um 34 Kilo. Im Anschluss startete Marolt bei Triathlon-Wettbewerben. Die Gewichtsabnahme veränderte den gesundheitlichen Zustand. Sie berichtet, dass frühere Erkrankungen wie Bluthochdruck und Knieschmerzen verschwunden seien.

Ergebnis der Bemühungen ist nicht nur der sportliche Erfolg, sondern auch die Veränderung der Persönlichkeit. Während sich die Petra Marolt früher zurückzog, würde sie nun offener auf Menschen zugehen, freut sich die Athletin im Gespräch. Frauen wie Marolt, die durch Sport und Ernährungsumstellung an Gewicht verlieren, machen Hoffnung. Vielleicht orientieren sich andere Menschen an solchen Vorbildern. Jeder kann Gesundheitsrisiken reduzieren - und zugleich an Lebensqualität gewinnen.

 

1.) Effects of Moderate and Subsequent Progressive Weight Loss on Metabolic Function and Adipose Tissue Biology in Humans with Obesity – cell.com

  1. 2.) Change in Percentages of Adults With Overweight or Obesity Trying to Lose Weight, 1988-2014 – jamanetwork.com

 

 

Quellen:

Studie zu Übergewicht Schon leichtes Abnehmen fördert die Gesundheit – spiegel.de

Diabetes in Zahlen – diabetesde.org

Diabetes Typ1 & Typ2 – euroclinix.net

Adipositas und Esssucht: Symptome, Begleit- und Folgeerkrankungen – apotheken-umschau.de

Adipositas: Genetische Studie bestätigt ursächliche Bedeutung für Herzerkrankungen und Diabetes – aerzteblatt.de

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