Kopfgeldprämien für Pflegekräfte – Sofortprogramm soll Abhilfe schaffen
Der Personalmangel in der Pflege nimmt neue Dimensionen an. Manche Krankenhäuser bieten Kopfprämien für qualifizierte Pflegekräfte. Pfleger demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn. Die gute Nachricht: Politiker unterschiedlicher Parteien treten für ein Sofortprogramm für Pflegeberufe ein – der einzige Verhandlungspunkt in den gescheiterten Sondierungsgesprächen, bei dem sich alle Parteien einig waren. Eine große Chance für die Pflegebranche?
Der Gesundheitsmarkt wächst, gerade qualifiziertes Personal ist im Bereich der Pflege Mangelware. Bereits heute sind 6000 bis 10.000 Stellen in der Pflege nicht zu besetzen. Die Gewerkschaft ver.di spricht sogar von bis zu 70.000 fehlenden Stellen für Pflegekräfte, da der derzeitige Personalschlüssel eine qualitativ hochwertige Pflege nicht gewährleisten kann. In deutschen Krankenhäusern kümmert sich eine Pflegekraft im Durchschnitt um 10,3 Patienten – damit sind wir absolutes Schlusslicht in Europa.
Aber nicht nur die Krankenhäuser beklagen einen Personalmangel, auch qualifizierte Altenpfleger gibt es viel zu wenige. Aus diesem Grund forderte Gesundheitsexperte und SPD-Politiker Karl Lauterbach pünktlich zum Wahlkampf eine Lohnsteigerung für Pflegekräfte von 30 Prozent. Finanziert werden könnten die Mehrausgaben durch die Anhebung der gesetzlichen Pflegeversicherung um einen halben Prozentpunkt.
Handlungsbedarf erkannt – nun geht es um Lösungen
Die Aufmerksamkeit für den Missstand in der Pflegebranche ist seit der letzten Phase des letzten Bundestagswahlkampfs im September enorm. Nicht, weil Politiker die Lage nun plötzlich anders wahrnehmen, sondern weil es aus der Bevölkerung viele kritische Fragen zum Thema Pflege gab – der öffentliche Druck auf die politisch Verantwortlichen wächst.
In keinem anderen Punkt sind sich die Volksvertreter so einig wie bei der Pflege. Politiker aller Parteien versprechen eine „spürbare“ Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege. Demnach planen die politisch Verantwortlichen eine Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe, Anreize für eine leichtere Rückkehr von Teil- in Vollzeit, ein Wiedereinstiegsprogramm, eine bessere Gesundheitsvorsorge für Mitarbeiter und die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung von Pflegehelfern zu Pflegefachkräften.
Mehr Geld für Personal und Sanierung
Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), fordert ein Zukunftskonzept Deutsches Krankenhaus, das von Bund und Ländern finanziert wird. Mit der Festlegung von Mindestbesetzungen durch qualifizierte Pflegekräfte sei es nicht getan, so der Pressesprecher des VKD Dr. Falko Milski.
Um die Anforderungen der Krankenhäuser an Innovation, Sicherheit und Qualität zu erfüllen, müssen rund 9 Prozent des Umsatzes wieder in die Einrichtungen fließen. Derzeit liegen die Reinvestitionen, die den Krankenhäusern durch die Länder zur Verfügung stehen, bei 3,3 Prozent – viel zu wenig, um dem medizinischen Fortschritt in den Kliniken gerecht zu werden. Laut ver.di gibt es derzeit einen Investitionsstau von bis zu 30 Mrd. Euro. Hier sind die Länder in der Pflicht, deutlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen, so dass neue Medizintechnik und Therapiemetoden auf der einen Seite und eine leistungsgerechte Bezahlung der Fachkräfte auf der anderen Seite erfolgen können.
Um eine vernünftige Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen gewährleisten zu können, fordert der VKD von den Ländern eine Erhöhung der Regelinvestitionen auf 6 Milliarden Euro im Jahr sowie eine Beteiligung der Krankenkassen zum Zwecke der Instandhaltung von Einrichtungen durch eine Anhebung der Fallpauschale von fünf Prozent.
Laut Gewerkschaft ver.di fließen Gelder der Versicherten, die für die Personalausstattung vorgesehen sind, in Baustellen. ver.di dringt darauf, die Mittel der Krankenkassen zukünftig vollständig für die Krankenversorgung einzusetzen – unter anderem für mehr qualifiziertes Pflegepersonal.
Kopfgeld für Pflegekräfte
Laut Annette Baumer, Sprecherin der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), hätten bei einer Umfrage der BWKG 64,4 Prozent der Geschäftsführer von Krankenhäusern Probleme bei der Personalsuche angegeben.
Viele Krankenhäuser sind verzweifelt auf der Suche nach qualifiziertem Pflegepersonal. Das geht so weit, dass inzwischen Kopfgeldprämien für neue Mitarbeiter gezahlt werden. Kollegen, die eine Pflegekraft anwerben, dürfen mit 1000 Euro und mehr auf ihrem Konto rechnen. Durch Abwerben der Pflegekräfte ist das Problem aber keineswegs gelöst, sondern bestenfalls verschoben.
Mit Einführung der neuen Pflegestärkungsgesetze und des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes ist die Zahl der Menschen, die einen Anspruch auf Pflegeleistungen haben, deutlich gestiegen. Um diesen Anstieg durch qualifizierte Pflegekräfte überhaupt decken zu können, gibt es von verschiedenen Seiten die Forderung nach einem Sofortprogramm für mehr Personal in der Alten- und Krankenpflege. Mögliche Maßnahmen dieses Sofortprogrammes sind die Anhebung der Löhne und die Auflösung des Pflegevorsorgefonds.
Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Wahlkampf den Bereich Gesundheit, und hier vor allem die Unterbesetzung in der Pflege, als eines ihrer wichtigsten Kernthemen genannt. Pflegekräfte, Patienten und Pflegebedürftige hoffen nun auf eine schnelle Umsetzung – unter welcher Regierung auch immer.
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